Liebe und Schmerz

Traurig starrte er aus dem Fenster. Es waren jetzt schon drei Jahre vergangen, seit er sich von ihm getrennt hatte, doch es tat ihm immernoch in der Seele weh, wenn er den Schwarzhaarigen dort unten vorbei gehen sah. Am Liebsten würde er jetzt hinunter laufen und ihm um den Hals fallen, ihn küssen und ihn bitten, ihm zu verzeihen. Aber irgendetwas in ihm ließ dies nicht zu. Der Chilene stand auf, doch gerade als er den Blick abwenden wollte, bemerkte er, dass Dirk zu ihm hinauf starrte. Er spürte, dass er ihn sah, konnte sich aber nicht dazu überreden, zu ihm nach draußen zu gehen, zu groß war die Angst enttäuscht oder verletzt zu werden. Ruckartig drehte sich Rod um. Es war seine Entscheidung gewesen sich von Dirk und damit auch von ihrer Band zu trennen. Damit hätte er sich in den drei vergangenen Jahren abfinden müssen, oder? Er blickte aus dem Fenster um zu sehen, ob seine große Liebe immernoch da stand. Rod sah eine leere Straße. >Dirk scheint mich genauso zu vermissen, wie ich ihn… aber warum trauen wir uns nicht, einander anzusprechen? Es ist schon verrückt…<

Der Chilene zog sich aus und legte sich ins Bett, jedoch fand er keinen Schlaf. Er musste immerzu an die schönsten ein-einhalb Jahre seines Lebens denken, die er mit Dirk verbracht hatte. Es musste schon gegen fünf Uhr in der Früh gewesen sein, als ihn der Schlaf überkam. Als er erwachte, schien die Sonne schon viel zu fröhlich in das recht geräumige Zimmer. Sein Blick wanderte zur Uhr und er sah, dass es schon halb zwölf war. Sofort stand er auf, denn er hatte Jan, mit dem er immernoch gut befreundet war, versprochen, ihn abzuholen. Rod duschte, zog sich an und verließ die Wohnung. Er hatte beschlossen unterwegs im Schnellrestaurant „Um die Ecke“ zu essen. Der Chilene stieg in seinen schwarzen VW, wie auch Dirk einen besaß und wieder überkam ihn eine Erinnerung. Viel zu heftig, sodass der Motor sich lautstark beschwerte, startete er den Wagen. Laut über sich selbst fluchend fuhr Rod los. An einer roten Ampel konnte er nur noch ganz knapp bremsen. Der ehemalige Bassist war in Erinnerungen versunken gewesen und hatte deshalb kaum auf den Verkehr geachtet. Er bog rechts ab und brachte sein Auto zum Stehen. Ohne es bewusst zu wollen war er direkt, ohne etwas zu essen, zu Jan gefahren. Als Rod aussteigen wollte, kam ihm Jan schon entgegen. „Du bist aber spät drann!“, rief er ihm künstlich gekränkt, mit einem Grinsen im Gesicht schon von der Wohnungstür aus zu. „Ja… sorry… hab verpennt… konnte mal wieder nicht einschlafen…!“, entschuldigte sich der Chilene bei seinem Freund. Jan setzte eine ernste Miene auf und stieg in den Wagen. „Rod… bitte… du machst dich nur selbst kaputt! Jetzt rede mal mit Dirk darüber und erzähl mir mal, was eigentlich passiert ist!“ Bisher hatte der Jüngere noch mit niemandem darüber gesprochen und er wusste nicht, ob er dies jetzt ändern wollte. Andererseits würde es ihm bestimmt gut tun, Jan zu erzählen, dass Dirk ihm gebeichtet hatte, dass er ihm während Rod im Urlaub war, öfters fremdgegangen war. Jan beobachtete interresiert Rods Mienenspiel und meinte, wenn sie nicht allzu spät kommen wollten, sollten sie jetzt los fahren. Diese Bemerkung riss Rod aus seinen Gedanken und er fuhr los. Während der Fahrt redeten die Beiden nicht miteinander, obwohl Jan viele Fragen auf der Zunge lagen. Auf dem Stadtfest, das so voll war, dass es ihnen nicht aufgefallen wäre, wenn Dirk auch dort gewesen wäre, angekommen musterte Rod in Gedanken versunken und mit gespieltem Interesse die Stände. Es gab drei Bratwurstbuden, eine Menge Getränkestände, hier und da ein Karussell, ein Glücks- und ein Riesenrad und ein haufen Souvenirstände. Rod hörte, wie Jan „Vorsicht!“ schrie, doch es war zu spät.

Er war geradewegs in einen kleineren Mann gelaufen, dessen Statur ihm sehr bekannt vorkam. Rod sah in das Gesicht des Mannes. Es war tatsächlich Dirk!

Erst wollte Rod seinen Augen nicht trauen, sich entschuldigen und weglaufen, doch als er in die herrlichen, grünen Augen seines Gegenüber blickte gab es keine Zweifel mehr.

Dirk lächelte sanft. Er zog Rods Gesicht leicht zu sich und küsste ihn. Als er spürte, wie leidenschaftlich der Größere den Kuss erwiederte, begannen seine Augen zu leuchten. Er tat es Rod gleich und schloss sie.

„Ich liebe dich immernoch und es tut mir so unendlich leid, dass ich dich so verletzt habe!“, murmelte der Ältere, als sie sich voneinander lösten.

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